Glück im Unglück

Gestern haben wir was erlebt. Besser gesagt überlebt.
Zu allererst: No worries, wie der Australier sagt! Wir haben nicht mal einen Kratzer abbekommen!
Aber der Reihe nach. Da wir ja nun wochenlang nur schwimmen und surfen waren, wollten wir die letzten vier Tage in Australien, noch für ein bisschen Sightseeing der Gold Coast und des Hinterlands (ja, das heißt wirklich so) nutzen. Wir machten uns als auf zum Autovermieter, zu Fuß natürlich. Zurück ging es dann mit einem fast neuen Hyundai Getz. Das ist so ein kleiner, kompakter 2-Türer.

Das war vorgestern. Seit gestern ist er noch ein bisschen kompakter und wir haben ihn auch nicht mehr. Eine Abschleppfirma hat ihn huckepack an sich genommen, zusammen mit den 6 anderen Unfallfahrzeugen.
Etwas ausführlicher? Also, wir fahren so gegen 18 Uhr auf dem Gold Coast Highway zurück zur Wohnung, Oli ist am Steuer. Vor uns eine große Kreuzung, die Ampel schaltet auf gelb, alle huschen noch durch. Wir, als brave Ausländer, die schon genug mit Lenken auf der falschen Seite und Schalten mit der Linken zu tun haben, halten ordnungsgemäß an.
Nein, der Geländewagen hinter uns rauscht nicht in uns rein. Er hält an, noch ist alles gut. Ich betrachte die Neonreklamen der umliegenden Shops, es ist schon dunkel, viele Fußgänger sind unterwegs, aber keiner passiert die Fußgängerkreuzung vor uns. Ich höre ein Geräusch. Nein, es ist nicht der klischeehafte Knall. Mehr dumpf. Bum! Als ob jemand einen Kofferraum zuschlägt. Ich denke mir nichts dabei.Später stellt sich heraus, es war der erste Einschlag, zirka 30 Meter hinter uns.
„Bum!“, schon wieder. Und gleich noch mal, „Bum!“ und noch mal… lauter, näher „Bum!“
Nun ist mir klar, woher ich das Geräusch kenne: Ein Auto fährt in ein anderes, ich habe es schon zwei mal erlebt. Bum! Und dann ging der Kofferraum nicht mehr auf, weil ein anderes Auto drin steht.
Ich schaue nach rechts oben in den Rückspiegel und sehe die Scheinwerfer des Allradfahrzeuges hinter uns. Sie sind groß und hoch und kommen näher. Hä!?! Wir standen doch schon alle!
“BUM!“
Unsere kleine Kiste macht einen Satz nach vorne. Oli und ich schleudern vor und zurück, werden erst vom Gurt, dann von der Sitzlehne abgefangen.
Später freue ich mich wie ein Kind, dass ich am Vortag beim Autoabholen noch die Nackenstützen hoch gestellt habe. Man weiß ja nie, gell!
Alles klar, es ist passiert! Ich drücke auf den Warnblinker und ziehe die Handbremse. Oli macht die Zündung aus, ich frage ob er OK ist. Ja, wir haben beide einen Schreck, aber offensichtlich sind wir unverletzt, die Airbags bleiben uns auch erspart. Normalerweise steigt man nun aus, um nach dem Fahrkünstler hinter ich zu schauen.
„BUM!“, wir werden wieder gerammt. Vom gleichen Fahrzeug. „Hä?!“
Ist der Fahrer hinter uns vor Schreck noch mal kurz aufs Gas gestiegen?
Ich weiß nicht, ob Oli in dem Moment den Fuß auf der Bremse hat, aber die Handbremse ist ja voll angezogen. Trotzdem werden wir noch nach vorne geschoben.
Der schwarze Riese hinter uns quetscht und schiebt weiter. Ich höre ein irres Quietschen, wie durchdrehende Reifen! Alles ruckelt. Das ist kein „normaler“ Unfall, bei dem nach dem Crash erstmal ein paar Sekunden alles still steht und Ruhe herrscht.
Es ist auch kein Fall von „mal nur kurz Bremse und Gas verwechselt“, denn das Ruckeln lässt nicht nach.. Die gesamte Situation ist zu lebendig, zu laut, die Lichter zu bewegt. Was soll das werden, eine Unfallflucht? Rammt sich hier jemand den Weg frei? Was passiert hinter uns? Viele Fragen in ein paar Sekunden. „Mist!“, vielleicht habe ich ja im australischen Fernsehen eine wilde Flucht zu viel gesehen, whatever! Wenn jemand so nachdrücklich (im wahrsten Sinne des Wortes) weg will, möchte ich mit dem kleinen Hüpfer nicht länger im Weg sein. Ich löse die Handbremse. „OK. Dann schieb uns halt weg und hau ab!“.
Plötzlich ist es still. Nichts mehr schiebt. Ich ziehe die Handbremse wieder, frage Oli in der Aufregung gleich noch mal, ob er OK ist - sein erster Auffahrunfall. Ich steige aus, schaue mich um: Der Verkehr um uns steht. Hinter uns im Wagen eine Asiatin, auch sie wurde gerammt. Im Heck ihres Autos steckt ein anderes. In dessen End ein anderes uns so weiter. Mehr erkenne ich nicht, denn über allem tut sich eine Wand aus Rauch auf. Ich laufe die Autos nach hinten entlang, sehe, dass sich überall jemand regt, die Türen aufgehen. Ich muss erst mal wissen, woher der Rauch kommt. Feuer ist keines zu sehen, nichts brennt. Der Dunst sieht zwar aus wie Kühlerwasser, was nach Unfällen oft auf den heißen Motorteilen verdunstet, aber es riecht nach verbrannten Reifen und kommt vom Ende der Blechlawine und dem verursachenden Fahrzeug. Es ist ein Airport-Shuttel-Minibus, der Fahrer ist OK und ansprechbar, Kollegen oder Fahrgäste erzählen etwas von Blackout! Vermutlich war der Fahrer kurz bewusstlos, raste mit Bleifuß auf die 5 Fahrzeuge vor ihm und blieb weiter auf Vollgas. Ich werde später gebeten Bilder von den Reifenspuren zu machen. Der Asphalt ist schwarz mit verbranntem Reifenabrieb.
Auf der Spur rechts davon steht noch ein einzelner PKW, der wohl den ersten Stoß abbekommen und dabei nach rechts abgeprallt ist. Unsere Reihe wurde direkt von hinten getroffen.
 Ihn hat es zuerst erwischt
Kraft war so groß, dass 5 stehende PKW in Reihe zusammen geschoben wurden. Wir sind die glücklichen ganz vorne, also Auto Nummer eins. An der Stelle, an der wir standen, nämlich an der Haltelinie steht nun PKW Nummer drei! Dazwischen klemmt Nummer zwei. Auf ca. 70 Metern verteilen sich Trümmer und Glassplitter.
 Ursprünglich standen wir an der hinteren durgezogenen weißen Linie
 Jetzt ist unser kleiner Kofferraum noch kleiner
 Die Fahrzeuge in der Mitte hat es schlimmer erwischt
 Das verursachende Fahrzeug
Offensichtlich ist niemand ernsthaft verletzt. Der Verkehr steht, der Notruf ist abgesetzt, wir warten. Ich denke an den Papierkrieg, den wir jetzt haben werden. The good news: Unseren Mietwagen haben wir nach Oli´s Kosten-Risiko Erwägung mit der niedrigsten Selbstbeteiligung versichert: 200,00 Australische Dollar Selbstbeteilung, statt normalerweise 3.000,-. Aber der Papierkrieg steht trotzdem bevor - eigentlich könnte ich gleich ein paar Bilder machen um das einfacher zu dokumentieren.
Meine Kameraausrüstung habe ich ja dabei. Ist im Kofferraum! „Shit!“, die dritte Schrecksekunde. Ich renne zurück zum Hüpferle, jetzt bin ich wirklich aufgeregt. Von außen kommt man definitiv nicht an den Kofferraum. Ich steige über die Vordersitze, die beiden Bodyboards auf der Rückbank und suche im Dunkeln nach der Entriegelung für die Rückbank in dem Auto, dass ich gerade mal vier Stunden benutzt habe und nicht kenne. Ah, alles klar, hier, ich fische die Kamerabags raus, und baue zusammen. Halleluja, alles scheint OK.
 
Carina beim Bergen unserer Habseligkeiten
Nach und nach treffen Polizei, drei Ambulances und die Feuerwehren aus Surfers Paradise und Mermaid (ja, hier hat man exotische Ortsnamen) ein und machen sich an die Arbeit. Mindestens 3 Personen werden vorsichtshalber in Kliniken verbracht.
 Alle Fahrzeuge müssen abgeschleppt werden.
 Taxi für unser Auto. Der nette Abschlepper hat uns auch noch nach Hause gebracht
Mittlerweile schlottern uns die Beine in den kurzen Hosen, hier an der Küste wird es abends richtig frisch und wir müssten auch dringend mal was essen. Oli ist mit dem Papierkram beschäftigt und muss auch noch den obligatorischen Alkoholtest machen – kein Problem.
 Erst Papierkram...
 ... dann noch Alkoholtest
Nach gut zwei Stunden bekommen wir endlich auch einen „Lift“ im  Abschlepptruck zurück ins Appartement.
Es geht einem durch den Kopf, dass alle Beteiligten mit einem „blauen Auge“ davon gekommen sind. Es hätte auch anders ausgehen können. Man stellt sich vor, der Bus wäre ungebremst in den kreuzenden Verkehr gefahren… Oder in die Passanten auf dem Bürgersteig.  Oder unser Hüpfer wäre ungebremst erwischt und in die Kreuzung geschleudert worden… Oder vor uns auf dem Fußgängerübergang, auf dem wir dann standen, hätten Fußgänger die Strasse passiert... Wir sind dankbar für das Glück im Unglück!

8 Kommentare:

  1. Very glad to see that you are both unhurt!! Wow - that is an adventure you only do once.. Look to the future and we send you extra blessings!! B&T

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  2. "Hey Ihr zwei, gut dass Euch nichts passiert ist... Passt noch gut auf Euch auf und kommt bald bieder gesund zurück.. :-) "
    Georg Hirsch

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  3. Markus Knobel commented on your link:

    "Da seid ihr ja noch mal mit viel Glück davon gekommen. Gut zu wissen, daß euch nichts passiert ist und euer Schutzengel wachsam war."

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  4. Dietmar Kuhn commented on your link:

    "Hallo Carina, gut zu hoeren das mit euch beiden alles ok ist!

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  5. Ina del Castillo-Stahl
    Hi Carina. Important is that you are both fine! Take care. Hello to Oli.

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  6. Bob O'Donnell
    That's the Aussie bumper car ride...seat belts everyone-seat belts...............glad you guys are OK !!

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  7. Dankeschön! Wir freuen uns, dass ihr an uns denkt!

    Thanks! Happy you care!

    Carina & Oli

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  8. Ui... Schwein gehabt! Echt gut das euch nix schlimmeres dabei passiert ist... Viel Vergnügen auf der weiteren Tour!

    Grüße, Micky

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